Krisenmanagement ist ein Begriff, der in vielerlei Kontexten verwendet wird. Doch wer sich näher damit beschäftigt, stellt schnell fest: Krisenmanagement ist nicht gleich Krisenmanagement. Die Herangehensweise und Schwerpunkte unterscheiden sich erheblich, je nachdem, ob wir Krisen aus der Sicht eines Unternehmens oder einer Behörde bzw. einer Einsatzorganisation betrachten. Insbesondere die Bandbreite an Krisen, die in Unternehmen auftreten können, wird oft unterschätzt – und das führt dazu, dass viele Organisationen unvorbereitet in schwierige Situationen geraten.
Krisenmanagement in Unternehmen: Viel mehr als nur Gefahren- und Katastrophenabwehr
Unternehmen sehen sich einer Vielzahl von Krisen gegenüber, die weit über das hinausgehen, was klassischerweise als Krisenmanagement verstanden wird – etwa der Umgang mit Notfällen, Naturereignissen, Cyberangriffen oder Lieferkettenunterbrechungen, etc.. Diese externen Bedrohungen stehen oft im Fokus der gängigen Krisenmanagement-Angebote. Dabei wird häufig übersehen, dass ein erheblicher Teil der Krisen intern entsteht und nicht mit einem klassischen Krisenstab oder standardisierten Notfallplänen bewältigt werden kann. Die Bewältigung dieser Krisen braucht andere Mechanismen und Herangehensweisen.
Interne Krisen – eine unterschätzte Dimension
Hier sind einige Krisen beschrieben, die intern entstehen können und oftmals stark unterschätzt werden.
1. Liquiditätskrisen
Eine plötzlich auftretende Finanzierungslücke kann eine existenzielle Bedrohung für Unternehmen darstellen. Diese Krise ist oft komplex und mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden: Wie kommuniziert man mit den Gläubigern? Wie beruhigt man die Belegschaft? Hier erfordert das Krisenmanagement finanzielle Expertise und strategische Kommunikationsfähigkeiten. Wie gut die Krise bewältigt werden kann, hängt auch viel von der grundsätzlichen finanziellen Gesundheit des Unternehmens ab, die aber im Krisenmanagement oft gar nicht betrachtet wird.
2. Managementkrisen
Führungskonflikte oder Versagen auf oberster Ebene können das Vertrauen in ein Unternehmen nachhaltig erschüttern. Entscheidungen werden verzögert oder gar nicht getroffen, was das gesamte Unternehmen lähmen kann. Hier müssen nicht nur operative Maßnahmen, sondern auch kulturelle und strukturelle Probleme adressiert werden. Die Unternehmenskultur ist eine sehr stark unterschätzte Größe in einem Unternehmen und kann, wenn sie in die falsche Richtung geht und toxisch wird, ein Unternehmen von innen heraus zerstören. Auch ist es natürlich oft für externe Berater:innen schwierig, hier Klartext zu sprechen. Denn wer sagt seiner Auftraggeberin oder Auftraggeber schon gerne, dass sie/er ein Risiko für das Unternehmen sein können.
3. Team- oder Organisationskrisen
Mangelnde Motivation, Konflikte innerhalb von Teams oder gar eine toxische Unternehmenskultur können sich langsam zu einer existenziellen Krise auswachsen. Klassische Krisenmanagement-Prozesse bieten hier keine Lösungen, da es nebst dem kurzfristigen Trouble-Shooting auch um langfristige Veränderungen und die Stärkung der internen Kommunikation geht. Auch das ist eine Komponente, die bei einer Standortbestimmung betrachtet werden muss. Das greift wieder Punkt 2 in die unternehmenskulturelle Gesundheit eines Unternehmens. Ein nicht zu unterschätzender Faktor beim Aufbau eines ganzheitlichen Krisenmanagements.
4. Reputationskrisen / Kommunikationskrisen
Negative Schlagzeilen oder öffentlichkeitswirksame Fehler können den Ruf eines Unternehmens in kürzester Zeit zerstören. Hier ist schnelles und professionelles Handeln gefragt, aber auch ein strategischer Ansatz, der langfristig das Vertrauen in die Marke wiederherstellt. Hier ist eine rasche und zielführenden Krisenkommunikation gefragt. Aber vor allem auch eine rasche und zielführende Kommunikation nach Innen ist ein wichtiger Faktor bei der Bewältigung von Kommunikation- und Reputationskrisen. Auslöser für solche Krisen sind sehr oft Ereignisse, die wiederum mit Themen wie Unternehmenskultur, Umgang mit Mitarbeitenden (Thema: Mobbing, sexuelle Belästigungen, etc.) usw. zusammenhängen. Auch hier braucht es spezielle Vorbereitungen, die über einen Standardnotfallplan hinausgehen.
Warum klassisches Krisenmanagement oft zu kurz greift
Viele Unternehmen verlassen sich auf externe Beraterinnen und Berater oder standardisierte Krisenpläne, die sich primär auf externe Bedrohungen fokussieren und die internen Aspekte nicht als Teil von Krisenmanagement sehen. Doch diese Ansätze ignorieren oft die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens und vernachlässigen die Dynamik interner Krisen. Ein klassischer Krisenstab ist in solchen Situationen oft nicht geeignet, da er auf die Bewältigung klassischer (externer) Szenarien ausgelegt ist und nicht auf tiefgreifende strukturelle Probleme eingehen kann.
Krisenmanagement aus Sicht von Behörden und Einsatzorganisationen
Im Gegensatz zu Unternehmen liegt der Fokus von Behörden und Einsatzorganisationen auf der Bewältigung akuter, externer Krisen und Katastrophen. Hier geht es darum, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, die Bevölkerung zu schützen und Schäden zu minimieren. Einheiten wie Feuerwehr, Polizei oder Rettungsorganisationen arbeiten nach klar definierten Protokollen und hierarchischen Strukturen.
Die Herausforderung für Behörden besteht darin, mit begrenzten Ressourcen schnell und effektiv auf Ereignisse zu reagieren, deren Dynamik und Ausmaß oft schwer vorherzusagen sind – sei es ein Hochwasser, ein Großbrand oder eine Pandemie. Der Erfolg des Krisenmanagements hängt hier maßgeblich von der Vorbereitung und der Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen ab.
Der entscheidende Unterschied
Behörden und Einsatzorganisationen haben per Definition einen externen Fokus: Sie agieren, um Risiken und Schäden von außen abzuwenden. Für Unternehmen hingegen bedeutet Krisenmanagement, sowohl externe als auch interne Gefahren zu bewältigen. Während in behördlichen Strukturen die Notfallbewältigung im Vordergrund steht, müssen Unternehmen auch langfristige strategische und kulturelle Maßnahmen berücksichtigen.
Ganzheitliches Krisenmanagement: Der Schlüssel für Unternehmen
Was Unternehmen brauchen, ist ein ganzheitlicher Ansatz, der interne und externe Krisen gleichermaßen berücksichtigt. Es geht darum, nicht nur auf akute Probleme zu reagieren, sondern präventiv Strukturen aufzubauen, die Krisen frühzeitig erkennen und abfedern können.
Elemente eines ganzheitlichen Krisenmanagements
1. Frühwarnsysteme: Tools und Prozesse, die interne und externe Risiken frühzeitig identifizieren.
2. Flexibles Krisenteam: Ein interdisziplinäres Team, das nicht nur Notfälle managt, sondern auch bei strukturellen Problemen wie Teamkonflikten oder Liquiditätsengpässen handlungsfähig ist. Ein reiner Krisenstab nach behördlichen Modellen (wie z.B. SKKM-Stabsmodell) reichen hier nicht aus.
3. Kulturelle und organisationale Resilienz: Das Unternehmen muss sich ganzheitlich auf negative Ereignisse sowohl von Innen, als auch von außen vorbereiten. Eine Unternehmenskultur, die Vertrauen, Offenheit und Anpassungsfähigkeit fördert – denn oft entscheiden die weichen Faktoren darüber, wie erfolgreich eine Krise gemeistert wird.
4. Strategische Kommunikation: Klare und transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern, intern wie extern, ist essenziell, um Vertrauen in schwierigen Zeiten zu bewahren.
Fazit: Den Blick weiten
Krisenmanagement ist für Unternehmen ein weites Feld, das viel mehr umfasst als die reine Abwehr von externen Bedrohungen. Gerade interne Krisen – von Management- bis hin zu Teamkrisen – verlangen nach individuellen Ansätzen bzw. nach Maßnahmen der Organisationsentwicklung, die in klassischen Notfallplänen oft nicht berücksichtigt werden (können). Ein modernes Krisenmanagement muss daher ganzheitlich, flexibel und an die spezifischen Herausforderungen eines Unternehmens angepasst sein. Nur so lässt sich langfristig Resilienz aufbauen und der nachhaltige Erfolg sichern. Ein Notfallplan alleine greift hier viel zu kurz.
Titelbild erstellt mit DALL-E